Erstaunliche Fortschritte in der Urologie
09.11.2021
Faszinierende
Fortschritte in der Männergesundheit konnten die Referenten beim 18.
Deggendorfer Urologie-Tag präsentieren. Im universitären Ambiente der
Technischen Hochschule Deggendorf moderierte Organisator Chefarzt Dr. Leonhard
Stark die überregionale, attraktive Fortbildungsveranstaltung. Er spannte dabei
einen großen Bogen von erstaunlichen Entwicklungen in der Krebstherapie über
spezielle Aspekte in der ambulanten Betreuung von Tumorpatienten hin zu
scheinbar einfachen, aber wichtigen Problemen der alltäglichen Patientenversorgung.
Besonders bedankte sich Stark bei dem Vizepräsidenten der THD Prof. Dr. Horst
Kunhardt für die Gastfreundschaft und gute Zusammenarbeit über viele Jahre.
Chefarzt
Dr Stark referierte selbst über Neuerungen in der Therapie des
Prostatakarzinoms. Bestimmte Mutationen schwächen die Tumorzellen in der
Reparatur sogenannter Doppelstrangbrüche des Erbguts. Lassen sich diese
Mutationen beim Patienten nachweisen, gelingt es, die Tumorzelle durch
zusätzliche medikamentöse Hemmung der Behebung dieser Brüche in den Zelltod zu
treiben. Dem weit fortgeschrittenen Prostatakarzinom vorbehalten ist derzeit
noch die Therapie mit PSMA-Lutetium. Dabei werden Antikörper, die sich direkt
an die Prostatakrebszelle binden, mit einem radioaktiven Medikament beladen.
Durch die Strahlung wird dabei die Tumorzelle vernichtet. Die Therapie wird
relativ gut vertragen, Nebenwirkungen sind Änderungen am Blutbild sowie relativ
häufig eine teils lästige Mundtrockenheit.
Grundlage
der Behandlung beim metastasierten Prostatakarzinom ist der Entzug des
Testosterons. Dadurch kommt es jedoch auch zur Senkung des Östradiols, welches
auch beim Mann eine bedeutende Rolle spielt. So beugt Östradiol zum Beispiel
der Osteoporose vor, die mit einem Testosteronentzug verbunden ist. Eine
aktuell publizierte Studie belegt nun, dass die Therapie mit Östradiol, wenn
sie als Pflaster gegeben wird, nicht mit einer erhöhten Inzidenz von
Komplikationen verbunden ist. Zugelassen ist die Therapie beim Mann in der
Behandlung des metastasierten Prostatakarzinoms jedoch nicht, so dass es sich
dabei um einen sogenannten „off label use“ handelt.
Voller
Begeisterung schilderte Chefarzt Stark auch die ersten Erfahrungen mit dem
neuen DaVinci System. Dabei handelt es sich um einen Computer, der die
Bewegungen des Operateurs, der an einer Konsole sitzt, auf die OP-Instrumente
überträgt. Wenngleich die Ergebnisse der offenen gegenüber der „DaVinci“
Prostataentfernung im Wesentlichen vergleichbar sind, bietet das DaVinci System
doch deutliche Vorteile. Diese sind die bis zu zehnfache Vergrößerung sowie die
erhöhten Freiheitsgrade der Instrumente. Seine Vorteile kann das DaVinci System
dabei insbesondere bei der Entfernung der Prostata beim Prostatakrebs
entfalten, da hier differenziertes Arbeiten im engen Raum des kleinen Beckens
erforderlich ist. Inzwischen wurden einige Patienten erfolgreich in Deggendorf
durch den leitenden Oberarzt Dr. Andreas Steiner operiert. Vorangegangen war
ein intensives Training am Simulator sowie mehrere Schulungen. Damit die ersten
Eingriffe bereits perfekt verlaufen, ist bei den ersten Eingriffen immer ein
erfahrener Operateur dabei. Hierzu wurde extra eine zweite Konsole angeschafft.
Chefarzt Stark verglich dies mit Piloten: Auch nach langer Ausbildung ist bei
den ersten Flügen stets ein erfahrener Kollege dabei.
Die
Entfernung von Lymphknoten bei Tumoroperationen hat gelegentlich ein lästiges
Lymphödem zur Folge. Dies kann bei ausgeprägter Schwellung bis zu
Einschränkungen der Beweglichkeit führen. Prof. Dr. Thiha Aung, Experte auf dem
Gebiet der Lymphbahnoperationen von der Universität Regensburg berichtete über
neue Verfahren, die hauchdünnen Lymphgefäße sichtbar zu machen und
mikrochirurgisch mit Venen zu verbinden, um so den Abfluss der gestauten Lymphe
wieder zu ermöglichen.
Bei
ambulanten Tumorpatienten zu beachten ist das häufig erhöhte Risiko von
Thrombosen und Embolien. Privatdozentin Dr. Christina Hart, Leiterin des
Bereichs klinische Hämostaseologie der Universität Regensburg, gab einen
fundierten Überblick über die verschiedenen Indikationen des Einsatzes von
gerinnungshemmenden Medikamenten bei Tumorpatienten. Um das Risiko abzuschätzen
wurde ein spezieller Score entwickelt, im Vergleich mit anderen Tumorarten
haben die urologischen Tumore jedoch ein geringeres Risiko des Auftretens von thromboembolischen
Komplikationen.
Einen
Überblick über die verschiedenen Immuntherapien in der Urologie gab
Privatdozent Dr. Johannes Breyer von der urologischen Universitätsklinik
Regensburg. Während die Immuntherapie beim Prostatakarzinom noch keine Rolle
spielt, ist sie beim Nierentumor bereits Standard mit zum Teil verblüffenden
Erfolgen. Prinzip der Immuntherapie bei diesen Tumoren ist es, die Tumorzellen
für das Immunsystem sichtbar zu machen. Diese Immuntherapie spielt auch in der
Behandlung des metastasierten Blasentumors eine zunehmende Rolle. Achtsamkeit
ist wegen möglicher, unerwarteter Nebenwirkungen geboten, da das Immunsystem
durch die Medikamente sich auch gegen gesundes Gewebe im Körper richten kann.
Prof
Dr Tino Schwarz aus Würzburg gab einen fesselnden Überblick über die
verschiedenen Aspekte der Impfungen bei onkologischen Patienten. Am Ende seines
Vortrages nahm er noch Stellung zu der laufenden Diskussion betreffs einer
Dritt-Impfung bei Covid. Dies ist absolut sinnvoll und erforderlich um einen
ausreichenden, anhaltenden Impfschutz zu erlangen.
Einem
scheinbar banalen Problem der Urologie widmete sich Uwe Papenkordt aus Hamburg.
Eine Harnverhaltung führt oft zur Einlage eines Dauerkatheters durch die
Harnröhre. Führt dies auch zu einer sofortigen Erleichterung, hat die
dauerhafte Anwendung eines solchen Katheters viele negative Aspekte, nicht zuletzt
erhebliche Missempfindungen bei manchen Patienten. Eine Alternative hierzu ist der
intermittierende Katheterismus, dieser kann von vielen Patienten auch selbst
durchgeführt werden. Chefarzt Dr Stark merkte an, dass dies auch eine
Möglichkeit für Patienten ist, die nur gelegentlich eine Harnverhaltung haben.
Bildunterschrift: Chefarzt Dr.
Leonhard Stark (l.) bedankte sich bei Prof. Dr. Horst Kunhardt für die
Gastfreundschaft und bei den Referenten Prof. Dr. Thiha Aung (v.l.),
Privatdozentin Dr. Christina Hart, Privatdozent Dr. Johannes Breyer und Uwe
Papenkordt für ihre spannenden Beiträge.